Wie lesen wir und wie kann man lesen üben?
Wir haben zwei Möglichkeiten zu lesen, das Lesen über die Indirekte Route oder die Direkte Route.
Die Indirekte Route
Leseanfänger verwenden vor allem die Indirekte Route – das bedeutet sie lauten die Silben oder Wörter zusammen.
Beim Zusammenlauten müssen die Buchstaben einzeln erkannt und ihr Lautwert zugeordnet werden. Der Abfolge dieser Laute wird im Kopf ein bekanntes Wort zugeordnet und dann ausgesprochen. Auch geübte Leser buchstabieren, wenn ein unbekanntes, fremdsprachiges Wort im Text vorkommt. Zusammenlauten oder Buchstabieren ist also ein wichtiger Teil der Lesefertigkeit.Buchstabieren ist jedoch ein sehr langsamer Vorgang: Um ein Wort von sieben bis acht Buchstaben zusammenzulauten, benötigt man rund zwei Sekunden. Die Buchstabiergeschwindigkeit beträgt daher maximal 30 Wörter pro Minute – ist also wesentlich langsamer als fließendes Vorlesen.
Die Direkte Route
Daher benötigen wir zum flüssigen Lesen auch die direkte Route. Sie wird immer dann angewandt, wenn Wörter bereits als Ganzes im Gehirn abgespeichert sind.
Zuerst werden sehr häufige und kurze Wörter wie „ich – du – ein – der – die – das – ist – oder – und …“ ganzheitlich abgespeichert und erkannt. Von den etwas längeren und häufigeren Wörtern werden nur noch Anfang und Ende im Gehirn kontrolliert – der Rest des Wortes wird automatisch dazu ergänzt. So erreicht der Leser eine Lesegeschwindigkeit von 120 bis 150 Wörter pro Minute. Erst, wenn man Wörter ganzheitlich aus dem Wortspeicher im Gehirn rasch abrufen kann und so eine angemessene Lesegeschwindigkeit erreicht, kann der Lesende auch den Sinn und somit auch den Inhalt des Gelesenen verstehen. Daher ist es wichtig, von Beginn an, das Lesen täglich zu üben, um so einen gut gefüllten Wortspeicher zu erlangen, der rasch abgerufen werden kann. Dabei reichen schon 5 -10 Minuten am Tag aus, um dieses Ziel zu erreichen.
Tipps
Nun noch einige Tipps zum richtigen Üben:
- Fangen Sie mit dem Trainieren der Augenmuskeln an. Dem Verlauf von Linien nur mit den Augen zu folgen, ohne dabei den Kopf mitzubewegen, erweitert zum Beispiel die Blickspanne, welche enorm wichtig für ein flüssiges Lesen und das Orientieren im Text ist.
- Benennen Sie die Buchstaben mit ihren Lauten und nicht mit ihren Buchstabennamen (M und nicht Em)
- Der Lesefinger (Leseschablone, Lesestäbchen - alles, was auf das Gelesene hinzeigen kann) darf und soll am Anfang verwendet werden. Sollte das Kind zu schlampig die Endungen lesen, führen Sie den Lesefinger auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorübergehend ein.
- Achten Sie auf die Schriftgröße. Bei Leseanfängern sollte eine möglichst große Schrift mit wenig Text pro Seite gewählt werden. Es motiviert die Kinder, wenn sie schon „eine ganze Seite“ lesen können.
- Für das Abspeichern von ganzen Wörtern ist es sinnvoll, einen Text öfter zu lesen. Deshalb geben Lehrer oft einen Text zu lesen auf, den die Kinder jeden Tag einmal lesen sollen. Gewöhnlich sind die Kinder am Ende der Woche fast doppelt so schnell, wenn sie diesen Text vorlesen. Dabei haben sie wieder einige neue Wörter in ihr inneres Wortgedächtnis als Ganzes abgespeichert.
- Das Abspeichern ganzer Wörter kann man auch mit „Blitzlesewörtern“ üben. Man schreibt jeweils nur ein Wort auf ein Kärtchen. Danach zeigt man dem Kind diese Kärtchen nur kurz und das Kind versucht, diese Wörter immer schneller aufzufassen und zu lesen.
- Für das Zusammenlauten kann man „Lesetreppen“, welche durch Verschieben immer nur einen neuen Buchstaben des Wortes freilegen, verwenden.
- Unsinnswörter, sogenannte Kasperlwörter, oder zum Beispiel italienische Texte müssen von den Kindern (auch von uns Erwachsenen) zusammengelautet werden, da wir diese Wörter ja nicht als Ganzwörter in unserem Gehirn abgespeichert haben.
- Lassen Sie sich von Ihrem Kind täglich 5 Minuten laut vorlesen und schauen dabei mit, dass das Kind die Endungen richtig liest. Täglich 5 Minuten lesen sind besser als 1-mal in der Woche 20 Minuten.
- Lesen Sie Ihrem Kind regelmäßig vor, auch wenn es schon lesen gelernt hat. Ihr Kind braucht Sie als Lesevorbild! Wenn Ihr Kind Sie beim Lesen „erwischt“, wird es auch selbst lieber lesen.
- Nutzen Sie gerade am Anfang des Lesenlernens jede Gelegenheit etwas zu lesen. Das geht auch unterwegs – beim Spazierengehen, beim Einkaufen, im Zug oder beim Autofahren. (Schilder, Hinweistafeln, Lebensmittelbeschreibungen,…)
- Finden Sie heraus, was Ihr Kind ganz besonders interessiert und unterstützen Sie es, indem Sie dazu Lesestoff besorgen. (Dinosaurier, Baustellen, Pferde, Superhelden, Comics,…) Alles, was man lesen kann, ist erlaubt! Auch Comics, Sammelkarten, Wunschlisten, Werbekataloge, Internet,… können zum Lesen anregen. Bücher zu beliebten Fernsehsendungen können ein guter Einstieg ins Lesen sein.